Die multilaterale Vereinbarung zur Telearbeit wird von der Schweiz unterzeichnet
Telearbeit an sich ist kein neues Phänomen. Heute tangiert sie jedoch vielmehr Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Der Wunsch nach Anpassung bestehender Gesetze und Regeln auf internationaler Ebene ist gross und bleibt nicht ungehört.
Die Schweiz und bestimmte Staaten der EU/EFTA werden die neue multilaterale Rahmenvereinbarung unterzeichnen, welche die Zuständigkeit ab 1. Juli 2023 regelt.
Kein Wechsel der Zuständigkeit im Bereich der Sozialversicherungen bei Telearbeit unter 50% ab dem 1. Juli 2023 im Verhältnis zu Staaten, welche die multilaterale Vereinbarung unterzeichnet haben
Der aktuelle Stand der Staaten, welche sich beteiligen werden, ist publiziert und wird laufend ergänzt. Die Unterzeichnung wichtiger Staaten aus Sicht der Schweiz wie Frankreich oder Italien ist noch offen.
Detaillierte Informationen zum Anwendungsbereich und Praxisinformationen werden durch das BSV publiziert: https://www.bsv.admin.ch/bsv/de/home/sozialversicherungen/int/grundlagen-und-abkommen/telearbeit.html
Voraussetzungen für die Anwendung der Rahmenvereinbarung bei grenzüberschreitender Telearbeit:
- Beide Staaten (Wohnstaat und Sitzstaat des Arbeitgebers) haben die Rahmenvereinbarung unterzeichnet
- Telearbeit im Wohnstaat und Tätigkeit im Staat, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat
- Nur ein Arbeitgeber oder mehrere Arbeitgeber, die alle im selben Staat ihren Sitz haben
- Maximal 49.9% der Gesamtarbeitszeit fällt auf die Telearbeit im Wohnstaat
- Die Telearbeit ist an die Nutzung von Informatikmitteln geknüpft
- Gültig für Personen, für welche auch das Freizügigkeitsabkommen mit der EU beziehungsweise das EFTA-Übereinkommen gilt.
Die Vereinbarung gilt für grenzüberschreitende Telearbeit zwischen 25% und 49.9% der Gesamtarbeitszeit.
Sie ist nicht anwendbar auf:
- Personen, die neben der Telearbeit weitere Tätigkeiten im Wohnstaat ausüben wie beispielsweise Kundenbesuche, selbstständige Nebenbeschäftigung (Telearbeit und Nicht Telearbeit im Wohnstaat)
- Personen, die neben der Telearbeit im Wohnstaat in einem weiteren EU/EFTA Staat eine Tätigkeit ausüben (Telearbeit im Wohnstaat und zusätzliche Beschäftigung in einem anderen EU/EFTA Staat)
- Personen, die neben der Tätigkeit für ihren Schweizer Arbeitgeber noch für einen Arbeitgeber in der EU/EFTA arbeiten (Arbeitgeber in der Schweiz und Arbeitgeber in der EU/EFTA)
- Selbstständigerwerbende
Für Staaten, welche die neue Rahmenvereinbarung nicht unterzeichnen, sowie für Telearbeit unter 25% finden ab 1. Juli 2023 die ordentlichen Unterstellungsregeln der Verordnung 883/2004 Anwendung.
Anwendung in der Praxis
- Neue Rahmenvereinbarung wurde von beiden Staaten unterzeichnet: Schweizer Arbeitgeber beantragen bei ihrer AHV-Ausgleichskasse via die Plattform ALPS (Applicable Legislation Portal Switzerland) eine Bescheinigung A1. Die Bescheinigung ist maximal drei Jahre gültig und kann verlängert werden.
- Neue Rahmenvereinbarung wurde nicht unterzeichnet: Die Versicherungsunterstellung und Verfahren für die Beantragung der Bescheinigung A1 wird durch den zuständigen Träger im Wohnstaat festgelegt.
- Grenzüberschreitende Telearbeit unter 25% (maximal 24.9%) bleibt ohne Auswirkungen auf die Sozialversicherungen möglich.
Auswirkung der neuen Rahmenvereinbarung auf Grenzgänger in den Beziehungen zu Deutschland, Österreich und Liechtenstein
Vorausgesetzt der Wohnstaat und der Staat, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat, haben die neue Rahmenvereinbarung unterzeichnet, gelten folgende Regeln:
Grenzgänger aus Deutschland, Österreich oder Liechtenstein, die bei einem oder mehreren Schweizer Arbeitgebern beschäftigt sind und bis zu 50% (max. 49.9% der Gesamtarbeitszeit) in ihrem Wohnstaat Telearbeit leisten, können in der Schweiz versichert bleiben.
Umgekehrt können Grenzgänger, die in der Schweiz wohnen und weniger als 50% Telearbeit für einen oder mehrere Arbeitgeber mit Sitz in Deutschland, Österreich oder Liechtenstein leisten, weiterhin den Sozialversicherungen am Arbeitgebersitz unterstellt bleiben.
Entsendung bei vorübergehender Telearbeit (100%) in ein EU/EFTA Staat
Die zuständige EU-Kommission hat sich geeinigt: Eine Entsendung gestützt auf Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ist auch möglich, wenn vorübergehend vollumfänglich grenzüberschreitende Telearbeit (100% der Arbeitszeit) geleistet wird. Sie ist beispielsweise in folgenden Fällen möglich:
- Betreuung von Angehörigen im Ausland
- Medizinische Gründe
- Telearbeit in den Ferien
Eine Bescheinigung A1 ist vom Arbeitgeber bei der zuständigen AHV-Ausgleichskasse zu beantragen. Die Entsendung im Falle vorübergehender grenzüberschreitender Telearbeit ist höchstens für 24 Monate möglich. Eine Verlängerung wird nicht akzeptiert.
Bedeutung für Ihr Unternehmen
Die neue Rahmenvereinbarung vereinfacht die Anwendung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber für Telearbeit in Zukunft. Wo die Verordnung 883/2004 oder die Voraussetzungen für die Rahmenvereinbarungen nicht gelten, bleibt es abzuwägen, ob die Unternehmen Telearbeit ermöglichen sollen.
Die neue Rahmenvereinbarung regelt zudem lediglich die Zuständigkeit betreffend die Sozialversicherungen. Steuerrechtliche, arbeitsrechtliche und immigrationsrechtliche Aspekte werden nicht berücksichtigt. Ob ein Unternehmen Telearbeit erlaubt oder nicht und in welchem Umfang, bedarf daher weiterhin einer ganzheitlichen Abwägung.